Für den promovierten Botaniker ist dieser kleine Exkurs im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) durchaus erlaubt. „Bäume gibt es erdgeschichtlich seit etwa 300 Millionen Jahren“, sagt Dr. Ralph Elster: „Im Vergleich dazu können neueste Studien den modernen Menschen gerade einmal 300.000 Jahre zurückverfolgen.“ Und doch hat der „Neuling“ dem „Alteingesessenen“ mitunter wenig Respekt entgegengebracht, seinen Wert gering geschätzt und ihn vielerorten verdrängt.
Doch warum bemüht Kölns Bürgermeister sein botanisches Wissen in einem Museum für Angewandte Kunst? Weil dort eine Ausstellung eröffnet, die genau das ansetzte. „Between the Trees. Urbanes Grün – Kunst – Design“ rückt Bäume in den Fokus. „Die These lautet, dass der Baum eine fundamentale Bedeutung hat für den urbanen Raum und das Grün in einer Stadt, dass der Baum Kunstschaffenden aber auch als Inspirationsquelle und Werkstoff dient“, betont Dr. Ralph Elster in seinem Grußwort.
Der Baum steht letztlich stellvertretend für den Reichtum der Natur
Seit dem 3. Februar sind im MAKK insgesamt 20 verschiedene Positionen deutscher und internationaler Designerinnen und Designer sowie Künstlerinnen und Künstler zu sehen, die „uns ein Bewusstsein von Bäumen als besondere Lebensform vermitteln“. Hier wird ihre essenzielle Bedeutung für alles Leben auf der Erde thematisiert. Der Baum steht hierbei letztlich stellvertretend für den Reichtum der Natur.
Die Ausstellung setzt sich damit auseinander, wie der Mensch als Akteur „zwischen den Bäumen“ lebe, wie er den Baum gleichzeitig als Pflanze, als Lebewesen wahrnehme, aber auch als materielle Grundlage für unterschiedliche Zwecke nutze, führt der CDU-Kulturpolitiker Elster weiter aus: „Die Arbeiten präsentieren den Baum als funktionelle und ästhetisch-formgebende Inspiration, wobei sich die Positionen kategorisieren lassen in konzeptionelles Design oder Industriedesign, in Kunsthandwerk und in freie Kunst.“
Thematisch behandeln die Projekte Fragestellungen des Klimawandels, der Materialverwendung, der Bionik, der Domestizierung der Natur und der Stadtplanung, heißt es in der Pressemitteilung des Museums, die auch auf das ambitionierte Rahmenprogramm hinweist.
Bäume in der Umgebung des MAKK erhalten Preisschilder
Dr. Ralph Elster hebt die eigenständig vom ökoRAUSCH Think Tank konzipierte Installation „Wertewandel“ hervor. Bei diesem Projekt gehe es um die Gehölze in der unmittelbaren Umgebung des MAKK. Die jeweiligen Bäume erhielten Preisschilder, die anschaulich über deren vermuteten wirtschaftlichen Wert informierten.
„Damit wird den Betrachtern ein ganz anderer Blick, eine gänzlich andere Perspektive auf das urbane Grün in unserer Stadt ermöglicht“, so der Kölner Bürgermeister: „Die Preisschilder informieren nämlich konkret über die berechenbaren Lebensleistungen dieser Bäume. Es geht dabei z.B. um die lebenslange Photosynthese und die damit verbundene Produktion von Sauerstoff. Bei sehr alt werdenden Bäumen kommen auf diese Weise sehr schnell sehr hohe Erträge zusammen.“
Ein spannender Ansatz, der ganz viel Lust macht, auf die Ausstellung „Between the Trees. Urbanes Grün – Kunst – Design“ im Museum für Angewandte Kunst Köln. Die ist dort noch bis zum 16. April zu sehen. Der Eintritt kostet 5 Euro (ermäßigt 2,50 Euro).
Das solch eine Ausstellung möglich ist, liegt auch an der tollen Arbeit der Museumsverantwortlichen und an der Unterstützung durch verschiedene Institutionen. Anlass für Bürgermeister Dr. Ralph Elster allen Beteiligten aufrichtig zu danken. Die Zusammenarbeit des MAKK mit Ökorausch Think Tank e.V. wurde gefördert von dem Königreich der Niederlande, der Overstolzengesellschaft, der Sparkasse KölnBonn, der Beatrix Lichtken Stiftung, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) und den Abfallwirtschaftsbetrieben Köln (AWB). Das Rahmenprogramm wird von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein Westfalen gefördert .
Das Museum für Angewandte Kunst Köln
Mit den rund 250.000 Objekten – vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert – gehört das Museum für Angewandte Kunst Köln zu den großen Institutionen für angewandte Kunst in Deutschland.
Das Museum versteht sich laut des eigenen Leitbilds als „Kunstmuseum Plus“.
Das „Plus“ steht für den Dialog zwischen Kunst und Design und basiert auf einem sich stetig weiterentwickelnden Kunst- und Designverständnis. Authentisch erfahrbare Objekte aus der Vergangenheit und der jeweiligen Gegenwart inspirieren zur Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Schaffen und der gestalteten Umwelt.
Die Rede im Wortlaut
Liebe Frau Dr. Hesse (Direktorin MAKK)
liebe Frau Karabaic (Ökorausch Think Tank e.V., Kuratorin der Ausstllg)
lieber Beigeordneter Stefan Charles,
liebe Förderer der Ausstellung, liebe Freundinnen und Freunde des MAKK
meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zunächst darf ich Sie alle ganz herzlich im Namen von Rat und Verwaltung der Stadt Köln und unserer Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu der heutigen Eröffnung der Sonderausstellung in unserem wunderbaren Museum für angewandte Kunst begrüßen.
Dieser Ort vereint Kunst und Kultur, aber eben auch Wissenschaft und Forschung in ganz besonderem Maße und kann auf eine lange Tradition und eine stolze Geschichte in unserer Stadt zurückblicken. Schließlich wurde dieses außergewöhnliche Haus an der Alten Rechtsschule schon 1888 gegründet und ist damit dann auch das zweitälteste Museum unserer Stadt. Ein Zeitraum von 135 Jahren ist natürlich kein Vergleich zu Eichen, Kiefern oder Eiben, die bis zu 1.000 Jahre alt oder sogar noch weit älter werden können.
Als ein Baum Wurzeln schlug, gründete Mathilde ein Kloster
Ganz in unserer Nähe findet man – hinter der Abtei Brauweiler – einen sagenumwobenen Maulbeerbaum. Dieser Maulbeerbaum ist eng mit der Legende von der Klostergründung in Brauweiler verknüpft. Mathilde, die gemeinsame Tochter von Kaiserin Theophanu, der damals mächtigsten Frau des Abendlandes, und Otto dem II., hatte einen Maulbeerzweig aus ihrem Hochzeitsstrauß in den Garten zu Brauweiler gepflanzt. Und nur weil dieser Zweig tatsächlich vor mehr als 1000 Jahren dort Wurzeln geschlagen hat und angewachsen ist, soll sie am Ende das Kloster gegründet haben, dessen 1.000 jähriges Jubiläum wir im kommenden Jahr feiern werden.
Bäume, dieser kleine Exkurs sei mir als promoviertem Botaniker erlaubt, Bäume gibt es erdgeschichtlich seit etwa 300 Millionen Jahren. Im Vergleich dazu können neueste Studien den modernen Menschen gerade einmal 300.000 Jahre zurückverfolgen.
Ein erster Perspektivwechsel geht auf Joseph Beuys zurück
Bäume werden heutzutage leider von vielen Menschen kaum oder zumindest wenig wertgeschätzt. Gerade in unseren Städten werden Bäume – und zwar vor allem die Gehölze im eigenen oder in Nachbars Garten – oft genug als störend empfunden. Ein erster Perspektivwechsel geht auf Joseph Beuys‘ wegweisendes Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ zurück.
Beuys hat vor ziemlich genau 40 Jahren – im Rahmen der damaligen documenta 7 – den ersten von insgesamt 7000 Bäumen in Kassel gepflanzt. Damals eine der teuersten Kunstaktionen der Welt, finanziert über einen Vorläufer des heutigen Crowd-funding, über Kunstverkauf und zahlreiche geneigte Sponsoren. Beuys wollte mit dieser mehrjährigen Aktion nicht nur wieder frisches Grün in diese Stadt genau dorthin bringen, wo seiner Meinung nach eine falsche Stadtplanung auf Kosten ehemaliger Baumreihen Straßenfluchten rein aus Stein, Beton und Asphalt geschaffen hatte.
Bäume als Quelle von Schmutz und Gefahr identifiziert
Beuys war mit dieser Idee, wenngleich der Begriff Waldsterben damals so langsam begann, Einzug in das Bewusstsein der Menschen zu halten, seiner Zeit etwa 20 Jahre voraus. Entsprechend wurde nicht nur er als Scharlatan abgetan; die damals noch geplanten Bäume wurden als potentielle Quelle von Schmutz, von Arbeit oder sogar Gefahr identifiziert. Welche Mühsal das Team um Beuys mit den 7.000 Genehmigungsverfahren hatte, mag man sich gar nicht ausmalen; der Überlieferung nach war die kommunale Verwaltung in Kassel kein einfacher Partner.
Neben Ökologie und Stadtentwicklung hat Beuys mit seiner Aktion den Baum aber vor allem auch als Lebewesen in den Vordergrund stellen wollen. Eine irgendwie sehr lange, vielleicht sogar bis heute zumindest teilweise verstellte Perspektive, die an die frühzeitliche Bedeutung von Baum und Wald anknüpft. Denn nicht erst in der Romantik wird der Baum ja hierzulande mit Liebe entdeckt und mit Leidenschaft besungen, nicht erst im 19. Jahrhundert erlangen Baum und Wald wie so vieles andere in der Natur eine verklärende Bedeutung. Leicht nachvollziehbar haben Bäume in einer Region der Welt, die vor 2.000 Jahren noch fast flächendeckend mit Wäldern bewachsen war, eine oft kultische und religiöse Geltung gehabt.
Noch in der Spätantike hatten Bäume Seelen oder wurden sogar als Gottheiten verehrt. In der Folge ist dann aber diese Verklärung umgeschlagen in eine reine Vermarktungssicht; aus dem romantischen Märchenwald wurde der Wirtschaftsforst mit schnellwachsenden Fichten, egal ob das ökologisch sinnvoll ist oder eben auch nicht.
Der Baum als Inspirationsquelle und Werkstoff
Und genau da setzt eben die Ausstellung „Between the Trees. Urbanes Grün – Kunst – Design“ an. Hier werden Bäume in den Fokus gestellt und die These lautet, dass der Baum eine fundamentale Bedeutung hat für den urbanen Raum und das Grün in einer Stadt, dass der Baum Kunstschaffenden aber auch als Inspirationsquelle und Werkstoff dient.
Am Beispiel von insgesamt 20 verschiedenen Positionen deutscher und internationaler Designerinnen und Designer sowie Künstlerinnen und Künstler wird uns ein Bewusstsein von Bäumen als besondere Lebensform vermittelt, wird ihre essenzielle Bedeutung für alles Leben auf der Erde thematisiert. Der Baum steht hierbei letztlich stellvertretend für den Reichtum der Natur.
Die Ausstellung setzt sich damit auseinander, wie der Mensch als Akteur „zwischen den Bäumen“ lebt, wie er den Baum gleichzeitig als Pflanze, als Lebewesen wahrnimmt, aber auch als materielle Grundlage für unterschiedliche Zwecke nutzt. Die Arbeiten präsentieren den Baum als funktionelle und ästhetisch-formgebende Inspiration, wobei sich die Positionen kategorisieren lassen in konzeptionelles Design oder Industriedesign, in Kunsthandwerk und in freie Kunst.
Klimawandel, Bionik und Aspekte der Stadtplanung
Thematisch greift die Ausstellung selbstverständlich den Klimawandel auf, aber auch die Domestizierung unserer Natur, die Möglichkeiten der Bionik und Aspekte der Stadtplanung.
Dabei wird die Ausstellung durch ein ambitioniertes Rahmenprogramm begleitet und mit Sonderaktionen untermalt. Hierzu gehört auch die eigenständig vom ökoRAUSCH Think Tank konzipierte Installation „Wertewandel“. Bei diesem Projekt geht es um die Gehölze in der unmittelbaren Umgebung des MAKK. Die jeweiligen Bäume werden mit Preisschildern behängt, die anschaulich über deren vermuteten wirtschaftlichen Wert informieren. Damit wird den Betrachtern ein ganz anderer Blick, eine gänzlich andere Perspektive auf das urbane Grün in unserer Stadt ermöglicht. Die Preisschilder informieren nämlich konkret über die berechenbaren Lebensleistungen dieser Bäume. Es geht dabei z.B. um die lebenslange Photosynthese und die damit verbundene Produktion von Sauerstoff. Bei sehr alt werdenden Bäumen kommen auf diese Weise sehr schnell sehr hohe Erträge zusammen.
Eine solche Position ist vergleichbar mit der Forderung, den tatsächlichen Wert von Bäumen endlich in den Bilanzen von Kreisen, Städten und Gemeinden abzubilden.
Aufrichtiger Dank an die Museumsmacher und die zahlreichen Unterstützer der Ausstellung
Die Ausstellung, die wir heute gemeinsam eröffnen, trägt hoffentlich dazu bei, dass unseren Bäumen wieder eine höhere Aufmerksamkeit und vor allem auch Wertschätzung zu Teil wird. Ich möchte mich bei Dunja Karabaic, der Kuratorin der Ausstellung, ganz herzlich für diese hochspannende Arbeit bedanken. Ich darf den Dank ausweiten auf die Direktorin unseres wunderbaren Museums, liebe Frau Dr. Hesse, Ihnen und ihrem gesamten Team ganz herzlichen Dank.
Gute Ausstellungen benötigen gute Ideen, einen guten Ausstellungsraum und gute Ausstellungsmacherinnen und -macher. Allerdings sind die allermeisten Ausstellungen auch auf externe Förderung und Unterstützung angewiesen. Ohne die nachfolgend genannten Menschen und Organisationen wäre diese Sonderausstellung am Ende nicht möglich gewesen. Daher geht mein aufrichtiger Dank an
- die ehrenwerte Overstolzengesellschaft,
- die Sparkasse KölnBonn,
- an das Königreich der Niederlande
an die Beatrix-Lichtken-Stiftung, Köln - und an die Koordinationsstelle Umweltbildung des Umwelt- und Verbraucherschutzamtes der Stadt Köln
Wesentlich zur Realisierung des Rahmenprogramms haben beigetragen:
- Die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW
- die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
- die Abfallwirtschaftsbetriebe Köln
- und das Grünflächenamt der Stadt Köln
Nochmals ein ganz herzlicher Dank an alle Beteiligten. Ich wünsche der Ausstellung den verdienten Erfolg und uns allen heute noch einen kurzweiligen Abend – mitten unter den Bäumen – „Between the Trees“.
Titelfoto: © Dan Hoopert, Audio Synthesis „What does a tree sound like“, 2022
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