Es sind alarmierende Sätze, die bei der Regionalkonferenz der Apotheker in Köln fallen. „Die Zahl der Apotheken in NRW und in ganz Deutschland befinden sich in einem dramatischen Sinkflug, daran wird das Apotheken-Reformgesetz nichts ändern.“ „Es darf nicht zur reinen Glückssache werden, ob man in der Apotheke überhaupt einen Apotheker antrifft.“ „Ich sehe im Apotheken-Reformgesetz eine absolute Mogelpackung. Es ist ein Apotheken-Abschaffungsgesetz.“

Es sind Sätze, mit denen Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), und sein Stellvertreter Sebastian Berges die Politik wachrütteln wollen. Denn, so schreibt die Pharmazeutische Zeitung in ihrem Online-Angebot, das geplante Apotheken-Reformgesetz (ApoRG), das die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch „Light-Apotheken“, minimale Apotheker-Präsenz et cetera massiv zu verschlechtern droht, steht für den 21. August auf dem Tagesplan im Bundeskabinett.

Damit ist auch klar, warum die der Termin für die Regionalkonferenz in Köln sehr bewusst in die Sommerpause gelegt wurde. Denn danach bleibt schlicht und ergreifend zu wenig Zeit, um klar zu machen, dass mit der Gesetzesinitiative aus Berlin Ungemach droht.

Dr. Ralph Elster unterstreicht diese Notwendigkeit. „Wenn sich aber im Vorfeld einer Neuerung im Apothekenwesen schon abzeichnet, dass die bisherige Versorgungsqualität nicht gehalten werden kann, dann ist jetzt genau der richtige Augenblick, sich konstruktiv über bessere Lösungen auszutauschen“, so der Kölner Bürgermeister, der mit einem Grußwort seinen Beitrag zur Regionalkonferenz leistete.

Darin machte er klar: „Apotheken sind selbstverständlich auch Wirtschaftsunternehmen, Apothekerinnen und Apotheker müssen ihre Dienstleistungen kritisch darauf überprüfen, ob sie wirtschaftlich erbracht werden können. Angesichts der vorgenannten Rahmenbedingungen ist es kaum verwunderlich, dass wir derzeit eine dramatische Schließungswelle bei Apotheken erleben.“

Machten in der Regionalkonferenz in Köln auf die negativen Folgen der geplanten Apothekenreform für die Patientenversorgung aufmerksam (von links): Dagmar Hußmann, Dr. Armin Hoffmann, Dr. Georg Kippels, Thomas Preis, Sabine Härter, Dr. Ralph Elster, Gabriele Amoriello und Dr. Oliver Funken. Foto: AVNR/AKNR

Bereits die schlichte Kenntnis von Dreisatz-Berechnungen sei ausreichend, um etwa nachvollziehen zu können, dass der Kostendruck bei Apotheken besondere Relevanz habe. „Sie bieten Ihre Dienstleistung notwendigerweise zu gesetzlich vereinbarten Vergütungen an, die aber seit 2013 nicht mehr angepasst worden sind“, so Bürgermeister Dr. Ralph Elster. Jeder kenne derweil die zweistelligen Inflationsraten der letzten Jahre, jeder wisse um die aktuellen Lohnkostensteigerungen. „Bei Berücksichtigung des Verbraucherpreisindexes und der gestiegenen betriebsbedingten Kosten wäre somit eine signifikante Anhebung der Apothekenvergütung dringend notwendig und gerechtfertigt“, betonte der Kölner CDU-Politiker, der auch auf den Kabinettsentwurf zum ApoRG, dem Apothekenreformgesetz, einging. Der Referentenentwurf vom Juni dieses Jahres sei zwar vom Bundesgesundheitsminister noch einmal überarbeitet worden, aber er halte an den heißdiskutierten Eckpunkten – wie „Apothekenbetrieb ohne Approbierte“ oder „Honorarumverteilung statt Honorarerhöhung“ – fest. 

„Ob das die richtigen Antworten sind auf die drängenden Fragen, ist zweifelhaft und wie ich schon bei der Versammlung im Juni ausgeführt habe, ist aus Sicht eines kommunalpolitischen Stakeholders dabei besonders besorgniserregend, dass die Zahl der kleinen Apotheken deutlich abnimmt“, sagte der Kölner Bürgermeister. Das seien nun aber genau die Betriebe in den Stadtquartieren und kleineren Vororten, die dort wie Arztpraxen auch zu einer gut funktionierenden Veedelsstruktur dazu gehören. Kein Wunder also, dass Dr. Ralph Elster klar und deutlich feststellte: „Apotheken sind und bleiben auch aus Sicht einer Quartiersentwicklung ein wesentlicher und unersetzbarer Baustein in unserem Gesundheitssystem.“

Die Rede im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Preis (Vorsitzender),
sehr geehrter Herr Dr. Hoffmann (Präsident),
liebe Mitglieder des Apothekerverbandes Nordrhein,
meine sehr verehrten Damen und Herren.

Im Namen unserer Oberbürgermeisterin und der Stadt Köln darf ich mich zunächst bei Ihnen bedanken für die Einladung zu ihrer heutigen Regionalkonferenz. Wir sind stolz darauf, Ihnen als Stadt den Rahmen für eine solche Konferenz bieten zu können.

Vor gut einem Monat, am 12. Juni, hatte ich das Vergnügen und die Gelegenheit – ebenfalls hier in der Wolkenburg – die Gäste des diesjährigen Frühjahresempfangs des Kölner Apothekerverbandes begrüßen zu dürfen. Auch schon bei dieser Zusammenkunft ist der dringende Handlungsbedarf bei zahlreichen die Apotheken betreffenden Themen mehr als deutlich geworden. Insofern ist es sicherlich konsequent und richtig, dass im Rahmen der heutigen Veranstaltung des Apothekerverbandes Nordrhein (e.V.), wiederum die jüngsten Entwicklungen der geplanten Apothekenreform in den Fokus genommen werden. Der Apothekerverband ist die Interessenvertretung der Apothekenleiter und steht als Wirtschaftsverband primär für die kaufmännische Seite des Apothekerberufs und positioniert sich ja derzeit im Sinne der Interessen seiner Mitglieder und im Sinne des bisherigen Leistungsprofils im sich ständig weiterentwickelnden Apothekenmarkt in unserem Land.


Die anstehende Reform ist für viele Apothekerinnen und Apotheker ein existenzielles Thema, wobei es bei allen Beteiligten – oder neudeutsch: „Stakeholdern“ – ganz sicher grundsätzlichen Konsens darüber gibt, dass eine Apothekenreform dringend notwendig ist. Wie im deutschen Gesundheitswesen nicht anders zu erwarten, unterscheiden sich aber je nach Perspektive, die Motivation der anstehenden Reform und die daran geknüpften Erwartungen erheblich: Für Apotheken sind es im Wesentlichen die vielfach schon von Ihnen öffentlich gemachten Aspekte Kostendruck, Bürokratisierung, demografischer Wandel und Fachkräftemangel, die dem von allen Beteiligten gemeinsam definierten übergeordneten Ziel entgegenstehen, auch künftig die sichere und hochwertige Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln sicherzustellen.

Vergleich der Gesundheitssysteme


Die Gesundheitspolitik wiederum bringt einen gänzlich anderen Blickwinkel ein und moniert schon seit vielen Jahren, dass das deutsche Gesundheitswesen insgesamt zwar bei den gesellschaftlichen Kosten weltweit Spitzenplätze belegt, bei den Leistungen jedoch nur Mittelmaß schafft. Dabei ist – so denke ich – jeder und jedem der hier Anwesenden klar, dass die Relevanz einer Statistik natürlich von den erhobenen Daten, von der beobachteten Stichprobe und von den mathematischen Werkzeugen abhängt, die dafür eingesetzt werden.

So findet man bei typischen Effizienzrankings der verschiedenen Gesundheitssysteme je nach statistischem Ansatz Deutschland in Europa so manches Mal nicht einmal unter den besten 10 Ländern. Der Euro Health Consumer Index etwa (EHCI), vergleicht 35 europäische Länder hinsichtlich der Qualität ihrer Gesundheitsversorgung und bezieht dazu mittlerweile 48 Indikatoren ein. Spitzenplätze im EHCI-Ranking belegen die Schweiz, die Niederlande und Norwegen. Eine andere Studie, der Commonwealth Fund, hat dagegen Deutschlands Gesundheitssystem noch in 2021 bescheinigt, weltweit zu den Top Five zu gehören. Neben der gerade schon testierten Spitzenqualität der norwegischen und niederländischen Gesundheitsversorgung tauchen hier auf vorderen Plätzen auch Australien und Großbritannien auf, die sich – ganz im Sinne einer Studie des Commonwealth-Funds – noch vor Deutschland positionieren können, während die Schweiz in dieser Erhebung lediglich auf Platz 9 landet.

Statistiken und deren Aussagekraft sind in einem Land, das beim Thema Public Health und der dafür notwendigen Wissenschaft und Datenlage seit nunmehr Jahrzehnten deutlich hinter den Möglichkeiten zurückbleibt, immer zu thematisieren. Entsprechend ist es auch keinesfalls leicht, potentielle Effizienzverluste und -gewinne in unserem Gesundheitswesen mal eben genau zu identifizieren…

Kostendruck hat bei Apotheken eine besondere Relevanz

Eines ist aber klar, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei vielen der Anliegen von Apotheken bedarf es keines abgeschlossenen volkswirtschaftlichen oder gesundheitspolitischen Studiums. Da ist bereits die schlichte Kenntnis von Dreisatz-Berechnungen ausreichend, um etwa nachvollziehen zu können, dass der Kostendruck in Ihren Betrieben besondere Relevanz hat. Sie bieten Ihre Dienstleistung notwendigerweise zu gesetzlich vereinbarten Vergütungen an, die aber seit 2013 nicht mehr angepasst worden sind. Jeder von uns kennt die zweistelligen Inflationsraten der letzten Jahre, jeder weiß um die aktuellen Lohnkostensteigerungen. Bei Berücksichtigung des Verbraucherpreisindexes und der gestiegenen betriebsbedingten Kosten wäre somit eine signifikante Anhebung der Apothekenvergütung dringend notwendig und gerechtfertigt. 

Apotheken sind selbstverständlich auch Wirtschaftsunternehmen, Apothekerinnen und Apotheker müssen ihre Dienstleistungen kritisch darauf überprüfen, ob sie wirtschaftlich erbracht werden können. Angesichts der vorgenannten Rahmenbedingungen ist es kaum verwunderlich, dass wir derzeit eine dramatische Schließungswelle bei Apotheken erleben. Jahr für Jahr schließen bundesweit mehrere 100 Apotheken und dies bei täglich rund drei Millionen Kunden- und Patientenkontakten. Die Versorgung der Bevölkerung durch Apotheken wird dadurch sukzessive schlechter, wie auch das Statistische Bundesamt feststellt: Im Schnitt kam Ende 2023 in Deutschland eine Apotheke auf 4.819 Menschen. Noch vor zehn Jahren waren es laut der obersten Statistikbehörde durchschnittlich fast 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner weniger, die sich eine Apotheke teilen mussten. Berücksichtigt man bei solchen Erhebungen die geographische Verteilung wird schnell klar, dass es sich bei Apotheken nicht anders verhält als bei Hausärzten. In lukrativen Ballungszentren ist die Versorgung deutlich besser als in peripheren Lagen.

Seit wenigen Tagen liegt nun der Kabinettsentwurf zum ApoRG, dem Apothekenreformgesetz vor. Der Referentenentwurf vom Juni dieses Jahres ist zwar vom Bundesgesundheitsminister noch einmal überarbeitet worden, aber er hält an den heißdiskutierten Eckpunkten – wie „Apothekenbetrieb ohne Approbierte“ oder „Honorarumverteilung statt Honorarerhöhung“ – fest. 

Ob das die richtigen Antworten sind auf die o.g. drängenden Fragen, ist zweifelhaft und wie ich schon bei der Versammlung im Juni ausgeführt habe, ist aus Sicht eines kommunalpolitischen Stakeholders dabei besonders besorgniserregend, dass die Zahl der kleinen Apotheken deutlich abnimmt. Das sind nun aber genau die Betriebe in unseren Stadtquartieren und kleineren Vororten, die dort wie Arztpraxen auch zu einer gut funktionierenden Veedelsstruktur dazu gehören. Apotheken sind und bleiben auch aus Sicht einer Quartiersentwicklung ein wesentlicher und unersetzbarer Baustein in unserem Gesundheitssystem. Eine Arzneimittelpreisverordnung, die sich schon seit mehr als 10 Jahren auf dem gleichen Niveau bewegt, trägt sicher nicht dazu bei, die bestehenden Strukturen zu stärken.

Apotheken finanziell besser ausstatten und ihre Präsenz vor Ort stärken

Ich will zum Ende meiner Rede kurz aus einer Studie zitieren, die 2009 in NRW veröffentlicht worden ist und in der weitere mögliche zukünftige Aufgaben von Apotheken untersucht wurden: „Apotheken“, heißt es dort, „sind Teil der öffentlichen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Information und Beratung sind zentrale Aufgaben des pharmazeutischen Personals in Apotheken, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.“ Zitat Ende

Wenngleich die Worte schon einige Jahre alt sind, ist doch der NRW-Gesundheitsminister wieder derselbe und es gibt auch keinerlei Grund an den vorgenannten Aussagen zu zweifeln. Weder hat sich die mangelhafte Gesundheitskompetenz der Bevölkerung seitdem verbessert, noch wäre der Beratungsbedarf bei den immer älter werdenden Menschen in unserem Land gesunken. Das Gegenteil ist – wie wir alle wissen – der Fall, und gerade dann, wenn Patienten unterschiedlichste Medikamente von verschiedenen Fachärzten verordnet bekommen, mag dabei auch immer wieder einmal pharmazeutisches Know-how gefragt sein. Arzneimittel sind und bleiben – wie ja auch das Bundesgesundheitsministerium zu Recht auf der eigenen Internetseite feststellt – besondere Wirtschaftsgüter mit einem hohen Beratungsbedarf. Ansätze, die eine fundierte pharmazeutische Beratung mittels Web-Sessions ermöglichen, mögen mit Sicherheit in einigen Regionen der Erde unabdingbar sein. Dass nun unsere Gesundheitspolitik aus Kostengründen im dichtbesiedelten Deutschland gleichfalls mit Dr. Google liebäugelt, bedarf doch zumindest eine breit angelegten Diskussion. Aus Sicht der Kommunalpolitik wäre es dagegen eher angebracht, Apotheken finanziell besser auszustatten und ihre Präsenz vor Ort zu stärken.

Wie alles andere auch, ist unser Gesundheitswesen von notwendigem Wandel gekennzeichnet. Dabei sorgen geplante Veränderungen naturgemäß für Unruhe. Wir Menschen reagieren nun einmal auf Veränderungen mit einer angeborenen Skepsis. Wenn sich aber im Vorfeld einer Neuerung im Apothekenwesen schon abzeichnet, dass die bisherige Versorgungsqualität nicht gehalten werden kann, dann ist jetzt genau der richtige Augenblick, sich konstruktiv über bessere Lösungen auszutauschen. Genau in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen heute eine für Sie nutzbringende Regionalkonferenz hier bei uns in der Wolkenburg in Köln.