Dieser Tage hat die Hohe Domkirche mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, aus finanziellen Gründen aus dem Projekt „Historische Mitte“ auszusteigen. „Die CDU-Fraktion hat dazu inzwischen folgende Haltung formuliert: Jetzt ist wichtig, dass noch in diesem Jahr eine gute Entscheidung für die Zukunft dieses überaus bedeutenden Areals getroffen wird. Aktuell soll den Gesprächen zwischen Stadt und Kirche nicht vorgegriffen und abgewartet werden, was die weiteren Beratungen ergeben“, erklärt Dr. Ralph Elster. Derweil haben den Kölner Bürgermeister diverse Diskussionsbeiträge zu möglichen Alternativen erreicht. „Bürger, Experten, Architekten haben sich an mich gewandt, nachdem bekannt geworden ist, dass die Domkirche möglicherweise aussteigen möchte“, so Dr. Ralph Elster. Mit dem folgenden Blogbeitrag möchte er die Thesen, Ideen und Denkanstöße darstellen und zur Diskussion anregen:
Der alte Standort des Stadtmuseums, das Zeughaus liegt angeblich fernab der Touristenströme
Es ist eine Mär, dass das Zeughaus fernab vom Zentrum liegt und allein deshalb nur wenig Besuch findet. Nicht zuletzt das am Appellhofplatz gelegene NS-Dokumentationszentrum hat in den vergangenen Jahren diese Geschichte eindrucksvoll widerlegt. Sicher nicht zentraler verortet, hat das NS-DOK im Vergleich zum Stadtmuseum mehrere 10.000 Besuche pro Jahr mehr zu verzeichnen. Auch objektiv gesehen sind es vom Dom aus eben nur 500 Meter bis zum Zeughaus, also etwa die halbe Strecke der Via culturalis, was knappe sieben Minuten Fußweg bedeutet. Außerdem lässt sich dieser Fußweg auch noch sehr attraktiv gestalten: Noch nicht so erfahrene Köln-Besucherinnen und Besucher könnten etwa die Rekonstruktion des Seitentores des alten römischen Nordtores auf dem Roncalliplatz zum Ausgangspunkt ihres Spaziergangs zum Zeughaus wählen.
Unterwegs wäre sogar genügend Zeit, kurz bei St. Andreas Halt zu machen, um dort die neuen Kirchenfenster zu bewundern, die auf die Entwürfe des Malers, Graphikers und Bildhauers Prof. Markus Lüpertz zurückgehen.
Daran anschließend können interessierte Besucher entlang der Komödienstraße noch andere informative Zwischenstopps bei weiteren spannenden Zeugnissen der Kölner Stadtgeschichte einlegen – angefangen beim Lysolphturm, den noch erhaltenen Überresten eines der bis heute mindestens 19 nachgewiesenen Rundtürme in der Bewehrung der alten Römerstadt CCAA.
Wenige Meter weiter liegt ebenfalls an der Stelle der alten Römermauer der Römerbrunnen, der zwar Römerbrunnen heißt, allerdings erst 1915 von Franz Brantzky dort fertiggestellt wurde, wo die einst die römische Stadtmauer verlief.
Kommt man vom Kölner Dom, dann hat man bis zur imposanten Stele mit der römischen Wölfin gerade einmal 450 Meter Fußweg zurückgelegt.
Vor Ort angekommen, können sich die Besucherinnen und Besucher vor dem Museumsbesuch noch einen Überblick verschaffen, wie die grandiosen römischen Wasserleitungen beschaffen waren, über die vor 2000 Jahren Frischwasser aus der Eifel in die fast 100 Kilometer entfernte Colonia geleitet worden ist. Auf dem Gelände der Bezirksregierung Köln ist gegenüber dem Zeughaus ein kleines Stück der Originalleitung zu bewundern, die zu den bedeutendsten technischen Denkmälern Roms nördlich der Alpen gehört.
Bei einem Durchfluss von 250 Litern pro Sekunde lieferte die Eifelleitung nach den Berechnungen von Prof. Dr. Klaus Grewe, der als Archäologe und Vermessungsingenieur beim LVR die Leitung über viele Jahre erforschte, täglich bis zu 20 Millionen Liter bestes Trinkwasser in die große Provinzhauptstadt.
Was geschieht mit dem Zeughaus? Braucht Köln tatsächlich einen kostspieligen Neubau?
Ist ein kostspieliger Neubau für das künftige Stadtmuseum erforderlich? Was gewinnt die Stadt für die Investition von mindestens 160 Millionen Euro? Grundsätzlich könnte das Stadtmuseum ja nach seinem Interim im Haus Sauer auch wieder in sein angestammtes Heim an der Römermauer zurückkehren, in ein dann allerdings frisch saniertes Zeughaus mit einem neu konzeptionierten Museum.
Ende der 2000er Jahre ist ein gut vorbereiteter Versuch, der Stadt Köln eine große Spende für die Sanierung des Zeughauses und einen an die alte Wache angrenzenden Erweiterungsbau zu übertragen, an den damaligen Mehrheiten im Stadtrat gescheitert. In 2011 gab es dann noch einmal einen veritablen Versuch, wiederum mit spannenden Plänen, die schon damals dringend notwendige Sanierung des Zeughauses mit einer Flächenerweiterung zu verbinden. Vor allem aus dem letzteren Planansatz kann abgeleitet werden, dass die Museumsfläche innerhalb des Zeughauses von 2.000 qm auf weit mehr als 4.000 qm erweitert werden könnte. Zusätzlicher Raumgewinn ist im Verbindungsbau möglich, die großen Sonderausstellungsflächen der Alten Wache blieben erhalten und könnten ebenfalls vom Museum genutzt werden.
Der wesentliche Raumgewinn geht zurück auf die Umwandlung der beiden Büroetagen des Zeughauses in eine dritte und vierte Ausstellungsebene. Die Obergeschosse werden demnach nicht mehr für Büros und Werkstätten reserviert, sondern können als zusätzliche Fläche für die Dauerausstellung genutzt werden. Die neuen Flächen des Dachgeschosses würden zu einem Schauraum für die bedeutende Graphische Sammlung des Stadtmuseums, die bislang mangels genügend Kapazitäten für eine sachgerechte Ausstellung weitestgehend unter Verschluss gehalten werden musste. Weitere Flächen ermöglicht diese aussagekräftige Konzeptstudie auch im Kellergeschoss, wo die antike Römermauer für die Besucher erschlossen würde. Die Technik verortet der Planer im verbleibenden Spitzdach. Mit dieser mehr als verdoppelten Dauerausstellungsfläche, auf dann viereinhalb Etagen, wäre es für das Stadtmuseum ganz bestimmt möglich, die 2000-jährige Geschichte der Stadt angemessen zu präsentieren.
Welche Rolle spielt der Denkmalschutz rund um den Dom?
Die Frage ergibt sich schon allein deshalb, weil das Ensemble der beiden Gebäude des Römisch-Germanischen Museums sowohl vom zuständigen Stadtkonservator als auch vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) als schützenswertes Denkmal eingestuft worden ist. Beide Behörden führen ins Feld, dass die beiden Gebäude unmittelbar gemeinsam konzipiert worden sind und daher auch als Ensemble begriffen und unter Schutz gestellt werden müssen. Das Römisch-Germanische Museum, das bis 1974 nach den Plänen der Architekten Heinz Röcke und Klaus Renner entstanden ist, steht konsequenterweise seit dem 29. November 2016 unter Denkmalschutz. Das zum Museum gehörige kleinere Studienhaus, das als eigenständiger Baukörper südlich des Museums steht und mit diesem über eine Brücke verbunden ist, ist ausdrücklich Teil dieses Denkmals.
Die beiden Häuser sind also grundsätzlich als gemeinsamer Gebäudekomplex konzipiert, geplant und gebaut worden und sie erinnern in ihrem Baustil ganz unmittelbar an das antike römische Vorbild: Das größere Museumsgebäude ist als Atrium-Haus in derselben Nord-Süd-Richtung angelegt, wie das ehemalige römische repräsentative Stadthaus, das ursprünglich dort gestanden hat. Archäologischen Befunden zufolge umfasste das römische Stadthaus eine Gesamtfläche von 2.500 qm und gehört zu den wenigen römischen Gebäuden der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, deren Grundriss weitgehend bekannt ist. Es ist ein klassisches Beispiel für ein römisches, im mediterranen Stil erbautes Stadthaus und lag damals auf einem Hügel nahe dem Hafentor und dem Rhein. Das Haus war als sogenanntes Peristylhaus mit umlaufenden Kolonnaden angelegt, die in diesem Fall nicht nur den Innenhof säumten. Das prächtige römische Stadthaus besaß auch eine außen liegende Kolonnade, die das Haus auf besondere Weise mit dem umgebenden Platz verband.
Schaut man auf die beiden Gebäudeteile des heutigen RGM wird deutlich, dass die Architekten sich unmittelbar am antiken Vorbild ausgerichtet haben und mit diesem ebenfalls als Peristyl-Haus angelegten Komplex ein kleines Stück römisches Köln haben wiedererstehen lassen. Wie sein antikes Vorbild besitzt auch das Museumsgebäude ein Atrium und einen wunderbaren Patio, der im Obergeschoss angelegt bei einem steilen Blick nach oben sogar einen spektakulären Blick auf den Dom erlaubt.
Hinzu kommt die besondere Bauweise mit umlaufenden Kolonnaden sowohl beim Museumsgebäude als auch beim Studienhaus. Diese außen liegenden Säulen gehen folglich ebenfalls zurück auf das antike Vorbild. Ein Peristyl ist in der antiken Architektur üblicherweise ein rechteckiger Hof, der auf allen Seiten von durchgehenden Säulenhallen umgeben ist. Römische Villen oder auch Stadthäuser reicher Familien haben häufig auf drei wichtige Gestaltungselemente zurückgegriffen: Neben dem Wohnhaus findet man meist ein Atrium und oft ist der hinter dem Haus liegende Garten als Peristyl ausgearbeitet und eben nicht nur mit Mauern, sondern mit Säulengängen gesäumt.
Die Architekten Heinz Röcke und Klaus Renner haben also bei genauerer Betrachtung am heutigen Roncalliplatz, wo offenbar vor 2000 Jahren den archäologischen Befunden zufolge sehr reiche römische Familien wohnten, das phänomenale Dionysus-Mosaik mit einer bedeutenden Architektur umgeben, die viel von römischen Vorbildern aufgreift. Dazu kommt noch die akkurate Ausrichtung an der Hafenstraße, die mitten durch das Ensemble verläuft.
Dabei ist das Studiengebäude als eine Art spiegelverkehrte Kopie des Museumsgebäudes angelegt. Während der Museumsbau im Obergeschoss von einer massiven Steinfassade umsäumt ist, haben die Architekten das Studienhaus mit umlaufenden Fensterfronten an allen Seiten offen gestaltet.
Wie erklärt sich die besondere Wirkung der beiden Gebäude des RGM? Den beiden Architekten ist mit dem bereits 1974 eröffneten Römisch-Germanischen-Museum eindrucksvoll gelungen, viel Raum für das Museum der Römerzeit zu schaffen, aber trotz der unmittelbaren Nähe, den Dom in seiner Wirkung nicht zu beeinträchtigen.
Dabei könnte der Denkmalschutz am Roncalliplatz sogar noch weiter gefasst werden: Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland nämlich hält nach wie vor auch das Kurienhaus für schützenswert und setzt sich dafür ein, dass das Gesamtensemble Kurienhaus mit dem RGM-Doppelgebäude am süd-östlichen Roncalliplatz erhalten bleibt. Auch das noch einmal 13 Jahre ältere Kurienhaus ist als Atriumhaus angelegt worden und nimmt mit seiner roten Ziegelsteinfassade die in der Römerzeit am häufigsten verwendeten Baumaterialien auf. Gebrannte Ziegel hatten in der Antike vielfache Verwendungen, neben Gebäudefassaden wurden Böden, Dächer und sogar Rohrleitungen aus Ziegeln hergestellt.
Die rote Backsteinfassade des Kurienhauses als Reminiszenz an Gebäudefassaden aus der Römerzeit haben die beiden Architekten Peter Busmann und Gotfrid Haberer bei ihrem 1986 eingeweihten Gebäudekomplex Museum Ludwig/ Kölner Philharmonie ebenfalls sehr bewusst aufgegriffen, sodass die beiden Peristyl-Häuser des Römisch-Germanischen Museums seit der Fertigstellung des Museum Ludwig und der Philharmonie stilecht von zwei Ziegelsteinbauten gerahmt sind. Alle vier Häuser haben zum Roncalliplatz hin eine ähnlich Traufhöhe, die den unverstellten Blick auf die Kathedrale erlaubt.
Riesige Raumreserven am Roncalliplatz: Das Studienhaus des RGM – ein unterschätztes Juwel
Mit einer angemessenen und auf eine noch höherwertige Nutzung abzielenden Sanierung des Studiengebäudes könnten in Köln der Kunst und Kultur oder auch der Kulturwirtschaft weitere fast 3000 qm Flächen bereitgestellt werden. Die geschätzten Kosten der Sanierung sind selbstredend abhängig vom tatsächlichen Sanierungsprojekt. Es existieren allerdings aktuelle Gutachten aus dem Herbst 2023, die belegen, dass schon ein Betrag unter 15 Millionen Euro ausreichen würde, das Gebäude grundsätzlich wieder gebrauchstauglich zu machen. Sollten dort andere Funktionen als bisher umgesetzt werden, etwa große Ausstellungsflächen und Schauräume, würden sich die Sanierungskosten sicherlich erhöhen, aber es wäre nach wie vor kein Vergleich zu den Kosten des riesigen Neubaus.
Reizvoll bei der Projektierung des Studienhauses für neue Funktionen ist die außenliegende, in der Fassade befindliche Statik des Gebäudes. Das Haus besitzt wie viele Gebäude aus dieser Zeit eine Art „Exoskelett“. Der geistige Vater dieses „Internationaler Baustil“ genannten Konzeptes ist die Aachener Bauhaus-Legende Mies van der Rohe. Stilprägend für diese Generation von Bauten war das zwischen 1956 und 1958 erbaute Seagrams-Building in New York. Die Grundidee ist, dass das tragende Stahlkorsett außen sichtbar ist und mit einer nichttragenden Glaskonstruktion ergänzt wird. Aufgrund von Feuerschutzvorschriften musste Mies van der Rohe in New York von dieser Idee Abstand nehmen und an der Fassade nicht-tragende, bronzefarbene Elemente anbringen, die vertikal wie Mittelpfosten zwischen den großen Glasfenstern verlaufen und tragende Elemente simulieren. Diese Methode, ein inneres Skelett aus Betonstahl mit einer nichttragenden Hülle zu umgeben, hat sich seither als Standardverfahren beim Bau von Hochhäusern durchgesetzt.
Der Ansatz mit dem „Exoskelett“ wurde in den späten 60er und frühen 70er Jahren von Architekten auch in Deutschland populär gemacht. Heinz Röcke und Klaus Renner haben mit ihrem Entwurf für das Römisch-Germanische Museum in Köln ein Stück Architekturgeschichte in unserer Stadt geschrieben.
Welche konkrete Nutzung ein frisch saniertes Studienhaus auch immer ermöglichen soll, es ist aufgrund der außenliegenden, tragenden Elemente relativ einfach, innen die erforderlichen Räume zur Verfügung zu stellen.
Warum sollte die Stadt dieses wunderbare, denkmalgeschützte Ensemble des Römisch-Germanischen Museums zerstören und das kleinere Studienhaus niederlegen? Immerhin kommt dieses „kleine Haus“ auf eine Bruttogeschossfläche von fast 3.000 Quadratmeter. Die bislang dort untergebrachte Museumsverwaltung und auch die zahlreichen Werkstätten des RGM können anderswo besser untergebracht werden, übrigens in Übereinstimmung mit den Zielen der Kulturverwaltung, die die Einrichtung von zeitgemäßen Werkstätten in dem künftigen Zentraldepot vorsieht.
Der Blick aus der Altstadt. Der Dom is fott…
Sollten die aktuellen Pläne von Staab-Architekten Realität werden und käme man aus der Altstadt in Richtung Dom und Hauptbahnhof spaziert, liefe man sowohl von Unter Taschenmacher als auch vom Alter Markt über die Bechergasse oder vom Rhein herauf über die Große Neugasse kommend unvermittelt und frontal in ein 33 Meter hohes Gebäude hinein, das Besucherinnen und Besuchern der Altstadt den Blick auf den Dom für immer verstellen würde.
Statt also den Menschen Orientierung sein zu können, verschwände die für Köln konstitutive Kathedrale für alle, die vom Alter Markt oder der Rheinuferpromenade ins Zentrum kommen, hinter einer beliebigen Bürohausfassade. Vor einigen Jahren, als der LVR den Turm in Deutz bauen wollte, gab es landauf-landab Diskussionen über die Rettung des Weltkulturerbes, weil der Neubau auf der anderen Rheinseite Blickachsen zum Dom stören würde. Mit dem Neubau würde also der Blick auf den Dom aus der Kölner Altstadt kommend völlig verstellt. Warum das die UNSESCO nicht aufgreift?
Noch dazu würde die Hafenstraße, Kölns einziges verbliebenes, öffentlich zugängliche Relikt der hohen Baukunst der Römer, Straßen für die Heere und für die Logistik zu bauen, genauso in den Mauern des Museums verschwinden und der Öffentlichkeit entzogen, wie die Überreste des phantastischen Hafentors.
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