Mit dem 30. Januar hat sich die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland zum 90. Mal gejährt. Für Kölns Bürgermeister Dr. Ralph Elster Anlass, dieses Demokratieversagen ungeheuren Ausmaßes 90 Jahre nach der Machtergreifung einmal näher zu beleuchten – mit einem besonderen Fokus auf die Ereignisse in der Stadt Köln:
„Drei lange Jahre lang scheitern demokratische Parteien mitten in der schlimmen Weltwirtschaftskrise daran, im Reichstag wieder eine tragfähige Koalition zu schmieden. Am Ende dieses Versagens demokratisch legitimierter Kräfte ernennt der greise Reichspräsident Hindenburg schließlich Adolf Hitler zum Reichskanzler.
Unglaublich, in welcher Geschwindigkeit die Nazis daraufhin unser Land in Richtung einer unbeschreiblichen Katastrophe entwickeln konnten, ohne noch auf substantiellen gesellschaftlichen Widerstand zu stoßen:
- Nur sechs Wochen später, am 13. März 1933, gewinnt die NSDAP die Kommunalwahlen in Köln. Unmittelbar am Tag danach, wird Oberbürgermeister Konrad Adenauer beurlaubt und im Sommer desselben Jahres dann entlassen
- Schon am 17. Mai 1933 kommt es vor der Universität zu inszenierten Bücherverbrennungen
- Bereits ein halbes Jahr nach der Machtübernahme, im Sommer 1933, beginnt der Terror durch die Geheime Staatspolizei, die schließlich im EL-DE-Haus, dem heutigen NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, ihre mächtige Zentrale etabliert
- Am 7. März 1936 führt die Wehrmacht die Rheinlandbesetzung durch und marschiert in das bis dahin entmilitarisierte Köln ein, zwei Jahre später kommt es zum Anschluss Österreichs
- 9. November 1938: Nur fünf Jahre und zehn Monate braucht es, bis in Deutschland in aller Öffentlichkeit durch die Verbrechen, die während der „Reichspogromnacht“ begangen werden, überall Synagogen und anderen jüdische Einrichtungen gebrandschatzt und jüdische Menschen bedroht oder sogar ermordet werden können. In Köln werden in diesen Novemberpogromen die Synagogen Roonstraße, Glockengasse und Körnerstraße niedergebrannt; die Synagogen in der St.-Apern-Straße, in Deutz und in Mülheim werden genauso vom organisierten Mob verwüstet wie zahllose Wohnungen und Geschäfte jüdischer Kölnerinnen und Kölner.
- 1. September 1939: nur sechs Jahre und sieben Monate dauert es, bis die Europa und die Welt durch den deutschen Überfall auf Polen wieder im Chaos eines neuen Weltkrieges versinken.
- Unmittelbar nach Kriegsbeginn, bereits im September 1939 fangen die Nazis an, Kölner Juden in so genannten „Judenhäusern“ zu konzentrieren
- Ende 1941 richten die Nazis in Müngersdorf am Fort V des äußeren Festungsrings ein Sammellager ein, in dem die jüdische Bevölkerung aus Köln und der Umgebung ghettoisiert wird. Schon im Oktober 1941, also nur acht Jahre und neun Monate nach der Machtübernahme der Nazis werden 2.000 jüdische Menschen aus Köln zunächst in das polnische Ghetto Litzmannstadt deportiert. Sie werden von dort schließlich in das Vernichtungslager Kulmhof verbracht und ermordet. Bis Ende 1943 werden aus dem Kölner Lager 3.500 Männer, Frauen und Kinder in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten Europa deportiert. Mehr als 7.000 ermordete Juden sind namentlich bekannt, das Schicksal zahlreicher Opfer ist ungeklärt
- Am 31. Mai 1942, kurz nach Mitternacht, um 00:47 Uhr erreichen die Flugzeuge des ersten 1000-Bomber-Angriffs Köln. Die Brandbomben zerstören fast 13.000 Gebäude, fast 500 Tote sind zu beklagen. Bis zum Kriegsende wird Köln noch 261 Mal bombardiert. Spätestens seit dem großen Angriff in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 1943, also nur 10 Jahre und 5 Monate nach dem der Machtergreifung ist Köln völlig zerstört.
Zug um Zug in Richtung völliger Vernichtung. Nur einige wenige Jahre Nationalsozialismus haben ausgereicht für die weitgehende Auslöschung jüdischer Strukturen in unserer Stadtgesellschaft, nur eine Dekade hat am Ende genügt für die fast völlige Zerstörung Kölns.
Die unglaubliche Wucht dieses Terrorregimes und die Rasanz der Entwicklungen führen uns die Bedeutung der lapidaren Aufforderung „Wehret den Anfängen“ deutlich vor Augen. Ein Blick auf die zahlreichen Stolpersteine in unserer Stadt, die an jüdische Menschen erinnern, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind, aber auch die Bilddokumente vom Sommer 1945, als in dem gigantischen Trümmerfeld der ehemaligen stolzen Stadt einzig nur noch der Kölner Dom übrig geblieben ist, unterstreichen die Relevanz der Forderung an die Demokratie und Gesellschaft, immer wachsam zu sein.“
Fotos: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Gedenktafel Kölner Stadtverordnete als Opfer der NS-Diktatur-3238, CC BY-SA 4.0,
Bryan MacKinnon, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Eingang EL-DE-Haus, NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, CC BY-SA 4.0,
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